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Überschwemmungen und Verantwortung des Staates

Der beste Staat ist derjenige, der von der Mehrheit seiner Bürger kontrolliert wird. Regierungen – sei es auf Bundes-, Länder- oder kommunaler Ebene – haben zum Nutzen des Volkes und nicht zugunsten von Interessengruppen zu handeln. In der Geschichte Brasiliens ist das jedoch leider fast immer nicht so gewesen. Mittels bestimmter juristischer Mechanismen, politischem Druck, sowie aller Art von illegalen Mitteln bis hin zur nackten Gewalt haben diejenigen Gruppen, die über die wirtschaftliche und politische Macht verfügten, den Staat und seine Einrichtungen zu ihrem eigenen Nutzen gemolken. Der Rest der Bevölkerung – also die Mehrheit – hatte die Aufgabe, (gezwungenermaßen) an den Wahlen teilzunehmen und (falls möglich) ihre Steuern zu bezahlen. Als Gegenleistung erhielten sie qualitativ minderwertige, (falls überhaupt vorhandene) Dienstleistungen auf dem Gebiet der Bildung, ärtzlichen Betreuung, öffentlichen Beförderungsmittel, Sicherheit usw.
In diesen Rahmen passen dann auch die ärmeren Stadtbewohner, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bis zu den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in die Niederungen abgedrängt wurden. Die an den Flußniederungen befindlichen Grundstücke waren billiger und konnten deshalb auch finanziell weniger begünstigte Einwohner aufnehmen. Im Laufe der Zeit, und bedingt durch eine zunehmende Urbanisierung, sind die den Flüssen abgetrotzten Areale immer dichter besiedelt worden. Gleichzeitig haben der Straßenbau, die Eindeichung von Seen und Sümpfen sowie auch die Undurchlässigkeit der Böden die Tatsache bewirkt, daß das Regenwasser nicht in die Erde einzudringen vermag. Auf seinem Weg über undurchlässige Flächen gelangt das Regenwasser somit direkt in die Flüsse, deren Wassermenge gewaltig zunimmt und dann Überschwemmungen verursacht. Die zuerst von Regenfällen bedrohten Flächen befinden sich in der Nähe der von Bächen und Flüssen gelegenen Niederungen, die dadurch ständig wiederkehrendem Hochwasser ausgesetzt sind.
Die in solchen Gebieten lebende Bevölkerung leidet seit Jahrzehnten an Überschwemmungen, und zwar trotz staatlicher Bauvorhaben, die anscheinend zur Vermeidung dieser Katastrophen vorgenommen wurden. Es handelt sich also um eine sehr schwierige Lage: Jährlich wiederkehrendem Hochwasser ausgesetzt, das Möbel und elektrische Haushaltsgeräte vernichtet und die davon betroffenen Immobilien entwertet, verfügt der Bürger normalerweise nicht über die für einen Umzug erforderlichen Mittel und lebt somit ohne Alternativen. Nicht einmal die Versicherungsgesellschaften leisten Gewähr für Immobilien oder Güter, die sich auf Grundstücken befinden, die von dauernden Überschwemmungen heimgesucht werden. Auch zuständige Regierungsstellen haben sich nicht um die Bevölkerung dieser Gebiete gekümmert, obwohl sie anläßlich ihrer Bebauung und Urbanisierung nachsichtig und somit auch mitschuldig gewesen sind.
Nun beabsichtigt die Staatsanwaltschaft Maßnahmen in Bezug auf dieses Problem zu ergreifen. Kommunale Behörden wie z.B. die stellvertretenden Bürgermeister, Sekretäre und sogar die Bürgermeister selbst, können für ihr administratives Fehlverhalten gerichtlich belangt werden, falls in einem bestimmten Gebiet, das vorher schon dafür bekannt war, immer wieder Hochwasser auftritt. Als Begründung dient die Tatsache, daß im Falle erneut wiederkehrender Überschwemmungen der dafür verantwortliche Verwalter nicht seine Pflicht erfüllt hat; sei es weil er das dafür nötige Bauvorhaben gar nicht erst, oder nicht korrekt ausgeführt, und damit öffentliche Gelder nicht ordnungsgemäß verwendet hat. In einem solchen Fall eröffnet die Staatsanwaltschaft ein öffentliches Zivilverfahren gegen den betreffenden Verwalter und fordert eine Entschädigung für die von den Bewohnern erlittenen Sach- und moralischen Schäden.
Das aufgrund eines solchen Verfahrens eingetriebene Geld wird dann für einen sog. Fundo Estadual de Reparação dos Direitos Difusos e Coletivos (bundesstaatlicher Fonds zur Entschädigung weitschweifiger und gemeinschatlicher Rechte) bestimmt, mittels welchem Maßnahmen zur Abwendung von Überschwemmungen finanziert werden können. Darüber hinaus soll auch in der Personalakte des betreffenden Verwalters vermerkt werden, daß er ein Problem, das ihm seit mindestens drei Jahren bekannt war, nicht gelöst hat.

Ricardo Ernesto Rose ist seit 1992 Berater für Martkforschung und Markteinführung in den Sektoren Umwelt und erneuerbare Energien. Er hat für das Amerikanische Konsulat (U.S. Department of Commerce) sowie für die Deutsche Auslandshandelskammer (AHK) in São Paulo gearbeitet. Er hat Bachelorabschlüsse in Journalistik und Philosophie und schloss im Folgenden einen MBA in Umweltmanagement sowie einen Aufbaustudiengang in Soziologie ab. Hr. Rose ist Autor von vier Publikationen über den brasilianischen Energie- und Umweltmarkt

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Escrito por Ricardo Rose

Ricardo Ernesto Rose, jornalista, graduado em filosofia e pós-graduado em gestão ambiental e sociologia. Desde 1992 atua nos setores de meio ambiente e energia na área de marketing de tecnologias.

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