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Indien und Brasilien: Auch Wachstum kann eine Bevölkerung benachteiligen

Indien und Brasilien haben viel gemeinsam. Als zu den sogenannten BRIC-Ländern (Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika) zugehörig, befinden sich beide in einer Phase wirtschaftlichen Wachstums, wodurch die Lebensbedingungen von Millionen Menschen verbessert werden. Eine Zunahme des Konsums, der Produktion und der durch diese Tätigkeiten bewirkten Umweltbelastungen treffen somit auf beide Länder zu.

In einem kürzlich in der Fachzeitschrift Development and Cooperation (Entwicklung und Zusammenarbeit) veröffentlichten Artikel, hat die indische Umweltschützerin Sunita Narain, Generaldirektorin des Center for Science and Environment (Wissenschafts- und Umweltzentrum), eine in Delhi beheimatete Nichtregierungsorganisation, sowie auch der Fachzeitschrift Down to Earth (Bodenständig, oder auch Rein Sachlich), www.downtoearth.org.in, auf gewisse Aspekte des wirtschaftlichen Wachstums dieses Landes aufmerksam gemacht, die die ärmsten Schichten der Bevölkerung in Mitleidenschaft ziehen. Sunita erwähnt als Beispiel die zwischen der Polizei und den Einwohnern von Noida, einem Vorort Delhis stattfindenden Zusammenstöße, wo es um ein Areal geht, das für den Bau einer Autobahn enteignet werden soll. Die von der Stadtverwaltung angebotenen Entschädigungen sind zu niedrig, wobei die landwirtschaftlichen Pächter gar nichts erhalten und somit jedwelche Existenzmöglichkeit verlieren. Im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh hat die Polizei voriges Jahr eine aus 10.000 Menschen bestehende Kundgebung niedergeschlagen und zwei davon getötet. Die Bevölkerung hatte gegen den Bau eines kohlebetriebenen Wärmekraftwerkes protestiert, das einen Großteil der örtlichen Wasserressourcen bedrohen würde.

Ferner schreibt die indische Umweltschützerin, daß praktisch alle infrastrukturbezogenen Projekte in der Kritik der Gemeinden stehen, zumal letztere befürchten, ihre Existenzgrundlagen zu verlieren. Laut der Verfasserin stellen diese Gemeinschaften die Vorhut der indischen Umweltschutzbewegung dar und sind auch deren entschlossensten Aktivisten. ,,Sie wissen sehr wohl, daß sie arm sind und verkünden auch so laut wie möglich, daß das, was andere Menschen als Entwicklung bezeichnen, sie nur noch ärmer machen wird”, schreibt Sunita. ,,Das ist das, was ich so als Umweltschutzbewegung der Armen bezeichne. Wahr ist, daß Entwicklungsprojekte örtliche Ressourcen – Mineralien, Wasser und Böden – benutzen. Aber sie schaffen keine Arbeitsplätze, die die vertriebenen Menschen für ihre Verluste entschädigen würden. Ein falsch geplanter Fortschritt zerstört mehr Existenzmöglichkeiten, als er neue Arbeitsplätze schafft”, schreibt die Umweltschützerin in der Zeitschrift. In anderen Teilen ihres Artikels weist sie darauf hin, daß ,,unsere Herausforderung darin besteht, zusammen mit der Entwicklung auch Verdienstmöglichkeiten für sehr viele Menschen zu schaffen. Zu diesem Zweck müssen wir ein Wachstum erfinden, das nicht nur zugänglich, sondern auch nachhaltig ist.”

Die Art und Weise, in der diese Art von Entwicklung in Indien und Brasilien vor sich geht, ist sehr ähnlich. Obzwar das wirtschaftliche Wachstum ein höheres Lebensniveau für Millionen Menschen bedeutet, findet dieses jedoch auf Kosten der Zerstörung von Lebensbedingungen einer schutzlosen Bevölkerung, sowie auch von Naturressourcen statt. Der Bau von Staudämmen am Rio Madeira und am Rio Xingú (Belo Monte), nebst ihren unzähligen sozialen Belastungen, die jedoch von der Regierung und den unmittelbar Beteiligten ignoriert werden, sind mit ähnlichen Fällen in Indien vergleichbar. In allen Entwicklungsländern gibt es eine lange Liste von infrastrukturbetreffenden Bauvorhaben sowie großen Privatprojekten, die mit schweren Umweltschäden und sozialen Belastungen durchgeführt werden. Und wer sind diejenigen, die von diesen Projekten am meisten profitieren? ,,Der einzige, für eine entsprechende Veränderung zu empfehlende Leitfaden nennt sich Demokratie und noch mehr Demokratie”, behauptet die kämpferisch veranlagte Sunita Narain.
(Ursprünglich in der Zeitung „Brasil-Post“ erschienen)

Ricardo Ernesto Rose ist seit 1992 Berater für Martkforschung und Markteinführung in den Sektoren Umwelt und erneuerbare Energien. Er hat für das Amerikanische Konsulat (U.S. Department of Commerce) sowie für die Deutsche Auslandshandelskammer (AHK) in São Paulo gearbeitet. Er hat Bachelorabschlüsse in Journalistik und Philosophie und schloss im Folgenden einen MBA in Umweltmanagement sowie einen Aufbaustudiengang in Soziologie ab. Hr. Rose ist Autor von vier Publikationen über den brasilianischen Energie- und Umweltmarkt

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Escrito por Ricardo Rose

Ricardo Ernesto Rose, jornalista, graduado em filosofia e pós-graduado em gestão ambiental e sociologia. Desde 1992 atua nos setores de meio ambiente e energia na área de marketing de tecnologias.

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